Praxis
In der Umsetzung kombiniert ein transkulturell kompetenter Zugang zu Medien und Kommunikation am besten zwei methodische Ansätze: Er bedient sich der Werkzeuge des Diversity Managements und unterzieht sein Tun und Lassen einem Transkulturellen Mainstreaming.
Im Umgang mit kultureller Vielfalt setzen heute weltweit zahlreiche Firmen und Institutionen auf Diversity-Management. Ein Blick auf deren Erfahrungen ist hier hilfreich. (Siehe u.a. Florian Krause, Elisabeth Göbel, Günther Vedder (hersg.): Fallstudien zum Diversity Management, Rainer Hampp Verlag, München und Mehring, 2011). Ähnlich wie bei der Frauenfrage erscheint in der Diskussion um Nichtdiskriminierung und Chancengleichheit für MigrantInnen als erstes die Forderung nach dem Zugang zu allen beruflichen und gesellschaftlichen Funktionen im Fokus: „Bei gleicher Qualifikation werden Menschen mit Migrationshintergrund den Vorzug gewährt.“
Unter dem Aspekt der Nichtdiskriminierung sollen – so die Vorstellung – Migrantinnen und Migranten als Mitarbeitende an der Produktion von Kommunikation beteiligt. Die Öffnung der Medien und Kommunikation für Ausländerinnen und Ausländer würde dieser im Gegenzug unter dem Motto „von Migranten für Migranten“ den Zugang zur Migrationsbevölkerung freilegen. Dass das Konzept funktioniert, belegen Umsetzungen in zahlreichen Unternehmen. Türken schrauben und nieten bei VW längst nicht mehr nur als ungelernte Arbeiter an der Produktionsstrasse. Sie stehen beim Autohersteller auch als Händler und Werber, die ihre Landsleute in die Verkaufsräume der deutschen und schweizerischen Konzessionäre bringen, hoch im Kurs.
Ganz unproblematisch ist eine auf den praktischen Nutzen und den Zugang zu Zielgruppen ausgerichtete Bewirtschaftung der kulturellen Vielfalt im Bereich der Kommunikation und Medien nicht. Stehen die Medienberufe doch meist nur Personen offen, die über die entsprechenden sprachlichen Fähigkeiten in der Landessprache verfügen. Zugewanderte der ersten Generation haben hier kaum eine Chance. Entsprechend wird ihre Perspektive häufig auch nicht abgedeckt.
Unter dem Aspekt der Chancengleichheit („Bei gleicher Qualifikation ...“) lässt sich die Vielfalt der Perspektiven, die transkulturelle Kommunikation erfordert, nur zum Teil erreichen. Um den Blickwinkel zu verbreitern und die Beteiligung der Migrantinnen und Migranten an den Kommunikationsprozessen zu verbessern, gilt es einen Schritt weiter zu gehen: Statt Chancengleichheit ist ein Chancenausgleich anzustreben. Dazu müssten die besonderen Fähigkeiten von Zugewanderten (Fremdsprachkenntnisse, kulturelles Wissen, Anpassungserfahrungen etc.) neben den üblichen Anforderungen als Ressourcen mitgewichtet werden. Akzent erlaubt, heisst die Devise dann.
Ausländerinnen und Ausländer sollten zudem nicht nur unter dem Aspekt „Migrantinnen für Migranten“ eingesetzt werden. In einem transkulturellen Kontext bearbeiten sie in vielfältigen Teams und Arbeitsgruppen alle anfallenden Themen. Sie lassen ihr spezifisches Wissen dabei in alle Bereiche einfliessen. Transkulturelle Teams arbeiten für alle Zielgruppen.
Kulturelle Vielfalt ist eine Ressource: Durch die Nutzung der Diversität der individuellen Hintergründe kann eine gesamte Organisation lernen, mit den Anforderungen einer globalisierten, transkulturellen konkreten und/oder mediatisierten Welt umzugehen. (Siehe: Robin J. Ely und David A.Thomas haben dieses gegenseitige Lernen in Organisationen als ‚learning-and-effectiveness‘ Paradigma beschrieben: Cultural Diversity at Work. The Effects of Diversity Perspectives on Work Group Processes and Outcomes. In: Administrative Science Quarterly, 6 (2) 229-273, 2001)
Die Fähigkeit einer Organisation transkulturell zu kommunizieren, beginnt deshalb bei der Personalpolitik, die bei jeder Stellenbesetzung auch den Aufbau von sinnvollen diversen Teams mitbedenken sollte. Diese tauschen ihr Wissen aus und qualifizieren sich allgemeinen Arbeitsprozess zu Fragen der Transkulturalität insgesamt und der transkulturellen Medienkommunikation im Besonderen. Ziel sind transkulturell kompetente Mitarbeitende, die der Ansprüche und Bedürfnisse möglichst vieler Zielpublika bewusst sind und entsprechend handeln können. „Sie reflektieren die eigenen lebensweltliche Prägungen und Vorurteile, haben die Fähigkeit die Perspektive anderer zu erfassen und zu deuten und vermeiden Kulturalisierungen und Stereotypisierungen von bestimmten Zielgruppen.“ (Siehe: Dagmar Domenig: Transkulturelle Kompetenz - Lehrbuch für Pflege-, Gesundheits- und Sozialberufe, Bern 2007)
Abbildung: Die verschiedenen Funktionen von Diversity Manangement in der Organisation und allgemeine Zielsetzungen und Mittel, die im Hinblick auf eine Transkulturelle Kommunikationsstrategie eingesetzt werden.
Zur Förderung des allgemeinen gegenseitigen Lernprozesses sollten die Verwaltungen und Organisationen für alle kommunikationsrelevanten Prozesse und Massnahmen ein transkulturelles Mainstreaming in Gang setzen.
Im Bereich Kommunikation zielt ein Transkulturelles Mainstreaming auf die Verankerung der oben beschriebenen Migrations- und Integrations-, respektive Einschlussdimension in allen kommunikationsrelevanten Entscheidungsprozessen und Massnahmen. Zielgruppenmanagement, Definition der Botschaften und Mediaplanung sollten somit transkulturell angegangen werden. Erfolgversprechend sind hier Kommunikationsstrategien, die die besonderen Kompetenzen einzelner Gruppen und Individuen in Wert setzen und den Blick weniger auf das Trennende als auf das Gemeinsame richten.
Als Strategie wendet sich eine solche kulturübergreifende oder Transkulturelle Kommunikation an die Gesamtbevölkerung. Als Massnahme definiert sie ihre Zielpublika entlang von Merkmalen neu, die die kulturellen oder religiösen Zuschreibungen übersteigen. Sie wählt Medien und Vermittlungskanäle aus, die der Lebenswelt der neuen Zielgruppen entsprechen. Sie vermeidet in ihren Inhalten und Botschaften Stereotypisierungen von einzelnen Zielgruppen.